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Die elementaren Bausteine des Nukleons sind Quarks und Gluonen.
Diese werden sichtbar, wenn das Nukleon z. B. mit hochenergetischen
Leptonstrahlen durch hohe Energie und Impulsüberträge
abgetastet wird. Dabei können Längenskalen bis
m, entsprechend
einem tausendstel Durchmesser des Nukleons, und Zeitskalen
bis
s aufgelöst werden. Dies ist der Energiebereich der Hochenergiephysik.
Zu kleineren Impuls- und Energieüberträgen hin ändert
sich das Bild. Es werden zunehmend nicht mehr nur die elementaren
geladenen Quarks gesehen, sondern auch ein polarisierter Teil
des die Quarks umgebenden Vakuums. Ähnlich, wie eine elektrische Ladung
in einem dielektrischen Medium eine Polarisation hervorruft,
wirkt die vom elementaren Quark ausgehende starke Kraft
polarisierend auf das Vakuum. D. h. aber auch, daß die
QCD-Struktur des Vakuums eine entscheidende Rolle dafür
spielt, welche Eigenschaften die dann ,,effektiven``Konstituenten des Nukleons haben.
Für diesen niederenergetischen Bereich, bei dem Längenskalen zwischen einem
und einem Zehntel des
Nukleonradius
wichtig sind, gilt es, die zu einer quantitativen Beschreibung
der Nukleonstruktur relevanten Freiheitsgrade zu
finden.
Schon früh konnten mit Hilfe der elastischen Elektronenstreuung
die Ladungs- und Stromverteilungen des Protons mit
relativ guter Genauigkeit gemessen werden.
Erst in den letzten Jahren gelang es u. a. an MAMI [1]
und ELSA [2], diese Größen auch am Neutron mit fast vergleichbarer
Genauigkeit zu messen. Die elektromagnetischen
Polarisierbarkeiten von Neutron und Proton wurden u. a.
an MAMI [3] mit Experimenten der
Comptonstreuung extrahiert. Aufgrund der Präzision
der Daten konnte erstmals nachgewiesen werden, daß Proton
Neutron paramagnetisch sind.
Quarks können nicht aus dem Nukleon herausgestoßen
bzw. als freie Teilchen produziert werden.
Dies ist eine ungewöhnliche Eigenschaft für
Konstituenten eines zusammengesetzten Systems. Selbstverständlich lassen sich
Atome ionisieren und Kerne in
Fragmente zerlegen, einen der Kernspaltung analogen
Prozeß gibt es für Protonen oder Neutronen nicht.
Bei Zuführung einer Schwellenenergie gelingt es aber,
dem Quarksystem im Nukleon soviel Energie zuzuführen, daß
sich Quark-Antiquark-Paare bilden können, die als
Anregungen des QCD-Vakuums zu verstehen sind und sich frei
ausbreiten können. Solche Quark-Antiquark-Paare gehören zur Klasse
der Hadronen, wie auch Neutron und Proton als gebundene Systeme
der elementaren Bausteine der stark wechselwirkenden Teilchen.
Die kleinste Energie (Masse) dieser durch Quantenzahlen, wie Parität und
Drehimpuls, zu unterscheidenden und Mesonen genannten Teilchen hat das Pion.
Diese liegt mit 140 MeV/
beträchtlich niedriger als die erste
Anregung des Nukleons mit einer Anregungsenergie von 300 MeV/
. Das Pion
manifestiert damit
die niedrigste Anregungsmode des QCD-Vakuums und spielt deshalb auch
eine Schlüsselrolle für die Struktur des Nukleons.
Gerade in den letzten Jahren wurde, nicht zuletzt durch
präzise Messungen der Pionproduktion an MAMI [4], ein Durchbruch
in der Beschreibung des Nukleons im statischen Grenzfall
erzielt. Mit der Entwicklung der chiralen Störungstheorie
wurde eine Lösung im Rahmen der Symmetrien der QCD gefunden.
Anschaulich gesprochen ,,sieht`` man bei einer Ortsauflösung
von etwa drei Nukleon-Durchmessern das Nukleon als bestehend aus
einer Pionwolke. Dieses phänomenologisch schon früh
erschlossene Bild für das Nukleon hat jetzt aufgrund der
Formulierung der QCD eine neue Bedeutung. Detaillierte Vorhersagen dieser
Theorie können in diesem Grenzgebiet überprüft werden.
Neben experimentellen Untersuchungen am Grundzustand des Nukleons sind
Studien
an Übergängen in angeregte Zustände zum Verständnis der
Struktur des Nukleons wichtig und in hohem Maße
modelldiskriminierend. So kann z. B. durch eine präzise Vermessung
des Übergangs zum ersten angeregten Zustand bestimmt werden,
ob die Ladungsverteilung des Grundzustands und/oder dieses
angeregten Zustands radialsymmetrisch oder deformiert ist.
Messungen an ELSA [5] und MAMI [6] konnten
die Präzision der bisherigen Daten soweit steigern, daß jetzt von
einer Nicht-Gleichverteilung der Ladung ausgegangen werden muß.
In der bisherigen Diskussion wurde angenommen, daß nur die leichtesten
Quarks, zusammen mit den Gluonen, die Struktur des Protons und Neutrons
bestimmen. Aus
Experimenten der Hochenergiephysik ist bekannt, daß aufgrund der Fluktuationen
des Vakuums auch schwerere Quarks und Antiquarks als Bestandteile des Nukleons
gesehen werden können, hier insbesondere die sogenannten ,,Strange``-Quarks.
Spielen diese Freiheitsgrade bei niedrigeren Energieüberträgen,
d. h. über längere Beobachtungszeiten gemittelt, noch eine
Rolle? Z. Zt. gibt es keine sichere Information, aber mehrere
Hinweise, daß Strange-Quarks auch bei niedrigen Energie/Impulsüberträgen eine
dynamische Rolle spielen. Während das Pion nur aus u- und d-Quarks besteht,
enthalten
- und K-Mesonen auch Strange-Quarks.
Damit sind Experimente, in denen
- und K-Mesonen erzeugt werden, auf einen
verborgenen Gehalt an Strangeness im Nukleon empfindlich.
Photo- und Elektroproduktionsexperimente
von
-Mesonen am Proton und, erstmals, am Neutron wurden
an ELSA [5] und MAMI [8]
durchgeführt. Neben Messungen von Wirkungsquerschnitten,
die Antwort über Stärke des Übergangs geben, wurden auch
Asymmetrien an polarisierten Protonen gemessen, deren
Ergebnisse die Sensitivität des Prozesses von der
Ausrichtung des Drehimpulses des Nukleons anzeigen [9].
Die Daten zeigen, wie erwartet, klar die Dominanz
der S
-Resonanz, aber zum erstenmal wurden auch weitere
Beiträge zweifelsfrei identifiziert. Diese Resultate tragen
deshalb auch zur Beantwortung der Frage bei, warum nur
wenige angeregte Zustände des Nukleons unter Emission
eines
zerfallen. Diese Frage führte schon zu einer Reihe
von Rechnungen, darunter [10,11,12], mit
verschiedenen Ansätzen. Es ist jedoch noch zu früh,
um daraus definitive Schlüsse ziehen zu können.
Resultate der Photoproduktion von K
-Mesonen [13]
an ELSA erweiterten den vorhandenen Datensatz
beträchtlich und fügten Informationen aus bisher
nicht zugänglichen Polarisationsmessungen hinzu.
Sie sind der Anstoß für eine Reihe von theoretischen
Untersuchungen [14,15,16,17] gewesen.
Modelle des Nukleons, basierend auf verschiedenen Freiheitsgraden,
sagen eine verschiedene Anzahl von Anregungsmoden voraus.
So wurden 2/3 der von Konstituentenquarkmodellen des Nukleons
vorhergesagten Anregungsmoden experimentell - noch ? -
nicht gefunden. Andere Modelle, die z. B. eine starke
Diquarkkomponente enthalten, kommen mit weniger Anregungszuständen
aus und entsprechen daher mehr der Beobachtung.
Die Struktur des Nukleons zeigt sich auch darin, wie sich der
Gesamtdrehimpuls des Nukleons aus den Drehimpulsen seiner Konstituenten
zusammensetzt. Messungen bei hohen Energien ergaben, daß bis dahin
angenommene vereinfachende Annahmen nicht ausreichen, auch nur qualitativ
die Ergebnisse zu beschreiben. Direkte Messungen gibt es zu dieser
Frage im diskutierten Energiebereich noch nicht.
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Frank Frommberger
2000-02-07