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Polarisierte Elektronen bei ELSAÜberblickPolarisierte Elektronen sind eine wichtige Voraussetzung für die meisten Experimente an ELSA. Die Produktion und Beschleunigung polarisierter Elektronen nehmen entsprechend einen großen Stellenwert ein. Folgende Forschungs- und Entwicklungsbereiche gehören dazu:
Erzeugung eines Strahls polarisierter ElektronenBei Experimenten mit externem Target ist das an Speicherringen erprobte Verfahren, einen polarisierten Elektronenstrahl durch Selbstpolarisation des gespeicherten Strahls mit Hilfe des Sokolov-Ternov-Effekts zu erzeugen, nicht anwendbar, da die Zeit für den Polarisationsaufbau im Verhältnis zur Extraktionszeit viel zu lang ist. Stattdessen muß eine niederenergetische Quelle für polarisierte Elektronen eingesetzt werden, in der mittels eines Strained-GaAs- oder eines Superlattice-Kristalls ein polarisierter Elektronenstrahl mit einem Polarisationsgrad von mehr als 60% erzeugt wird.Depolarisierende ResonanzenWährend der Beschleunigung im Synchrotron und im Stretcherring werden bei bestimmten Energien Resonanzen gekreuzt, welche die Polarisation der Elektronenstrahlen ganz oder teilweise zerstören können. Eine solche Resonanz entsteht, wenn die Spin-Präzessionsbewegung, deren Frequenz stark energieabhängig ist, in Phase mit Magnetfeldern gerät, die die Elektronen auf ihrem Umlauf im Beschleuniger erfahren.Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von depolarisierenden Resonanzen:
Prinzipielle Möglichkeiten zur PolarisationserhaltungGemeinsam ist bei allen depolarisierenden Resonanzen, daß die Depolarisation beim Durchkreuzen nicht nur von der Resonanzstärke abhängt, sondern auch von der Kreuzungsgeschwindigkeit. Ist die Kreuzungsgeschwindigkeit sehr groß, so bleibt die Polarisation komplett erhalten, ist sie hingegen sehr klein, kann ein Spin-Flip erfolgen. Hierbei ändert sich die Richtung des Polarisationsvektors, nicht aber sein Betrag. Bei Kreuzungsgeschwindigkeiten dazwischen geht die Polarisation ganz oder teilweise verloren. Es gibt deshalb im Prinzip folgende Möglichkeiten, Depolarisation zu verhindern:
Man reduziert die Kreuzungsgeschwindigkeit oder verstärkt die Resonanzstärke absichtlich so weit, daß ein adiabatischer Spin-Flip auftritt. Bei einem Elektronenbeschleuniger, wie z. B. ELSA, muß bei höheren Energien aber auch der Einfluß der Synchrotronstrahlung berücksichtigt werden, die bei den Teilchen zu kleinen Energiesprüngen und damit effektiv zu Mehrfachkreuzungen derselben Resonanz führt. Dies ist um so ausgeprägter, je langsamer die Resonanz gekreuzt wird. Aus diesem Grund ist der Spin-Flip unvollständig und die Polarisation verschwindet für ganz langsame Kreuzungsgeschwindigkeiten. Rechnungen hierzu werden unten noch vorgestellt. Die Situation bei ELSAAbhängig von Art und Stärke der jeweiligen Resonanz existieren somit verschiedene Techniken, um beim Kreuzen einer Resonanz die Depolarisation weitgehend zu verhindern. Diese wurden schon wiederholt in Protonen-Beschleunigern erfolgreich erprobt und werden jetzt auch zum ersten Mal in ELSA, einem Elektronen-Beschleuniger, angewendet.Dabei ergeben sich aufgrund der starken Synchrotronstrahlung gegenüber Protonen-Beschleunigern bei hohen Energien einige wesentliche Unterschiede, die in den unten aufgeführten Rechnungen aufgezeigt werden. ![]() Intrinsische ResonanzenRechnungen und erste Messungen zum Zustand des Beschleunigers 1997 haben gezeigt, daß die intrinsischen Resonanzen bei 2,0, 2,9 und 3,3 GeV so stark sind, daß sie auf jeden Fall die Polarisation erheblich reduzieren würden, wenn man nichts unternimmt, um die Kreuzungsgeschwindigkeit während der Resonanz zu erhöhen.Da die Netzgeräte der Magnete es nicht erlauben, eine so steile Energierampe zu fahren, daß keine signifikante Depolarisation auftritt, wurde ein System aus zwei gepulsten Panofsky-Quadrupolen mit Ferrit-Joch gebaut, welches den vertikalen Betatronarbeitspunkt innerhalb weniger Mikrosekunden sprungartig verändert, wenn die Resonanz gekreuzt wird. Daher der Name Tunejump-Quadrupole. Eine weitere Möglichkeit, Depolarisation zu verhindern, besteht in der Verminderung der Resonanzstärke. Die Stärke einer intrinsischen Resonanz nimmt mit der vertikalen Emittanz zu. Die vertikale Emittanz entsteht haupsächlich durch die Kopplung der horizontalen und vertikalen Ebene im Beschleuniger. Tests haben gezeigt, daß durch geeignete Wahl der Betatronarbeitspunkte eine Kopplungsstärke von weniger als 5% während der Rampe (und weniger als 1% während des Flattops) erreicht werden kann, aber auch dann sind die drei oben angegebenen Resonanzen ausreichend stark, um signifikante Depolarisation zu verursachen. Imperfection-ResonanzenDie Stärke der Imperfection-Resonanzen ist ungefähr proportional zur mittleren vertikalen Closed-Orbit-Ablage. Durch sorgfältiges Justieren der Magnete und ein verbessertes Strahllagemonitor- und Korrektorsystem wurden die Closed-Orbit-Störungen in ELSA wesentlich verringert. Unglücklicherweise ist aber die erreichbare Closed-Orbit-Qualität während der Rampe bei einigen Imperfection-Resonanzen immer noch nicht ausreichend, um eine signifikante Depolarisation zu verhindern. Arbeitspunktsprünge wie bei den intrinsischen Resonanzen sind hier nicht anwendbar. Deshalb wird versucht, gezielt die Closed-Orbit-Störungen zu unterdrücken.Hier wurden 1999 zwei Verfahren etabliert. Mit der dynamischen Closed-Orbit-Korrektur können nun die Orbit-Ablagen auch während der Beschleunigungsrampe auf etwa 200 µm RMS korrigiert werden. Die Korrektormagnete werden hierzu mit speziellen Rampen angesteuert, die durch Interpolation zwischen bei verschiedenen Energien gewonnenen Datensätzen erzeugt werden. Mit der sog. Harmonischen-Korrektur wird die bei der dynamischen Korrektur verbliebene Resonanzstärke je einer Imperfection-Resonanz gezielt unterdrückt. Aus dem gemessenen Verlauf der Closed-Orbit-Störungen, in eine Fourier-Reihe entwickelt, kann eine gezielte Korrektur berechnet werden, die dann den harmonische Anteil korrigiert, der die jeweilige Resonanz treibt. Die geringe Zahl der freien Parameter (Amplitude und Phase der Harmonischen) ermöglicht ein empirisches Vorgehen, bei dem die erreichte Polarisation bei verschiedenen Einstellungen der Korrektormagnete gemessen wird und so die optimale Einstellung bestimmt wird. Adiabatischer Spinflip![]() Ab einer Resonanzstärke von ca. 2.10 -3 ist im Prinzip bei ELSA ein Spinflip möglich, wenn man nur langsam genug rampt. Diese Resonanzstärke könnte auch immer erreicht werden, da es relativ einfach ist, Resonanzen zu verstärken, z.B. mit Hilfe zweier Korrektoren, die eine Closed Orbit Störung absichtlich erzeugen. Weitere Vorteile dieses Verfahrens sind die Unempfindlichkeit gegen Korrektor- und Meßfehlern sowie die gute Reproduzierbarkeit. Jedoch zeigen Rechnungen, daß ein vollständiger Spinflip in ELSA nur bis zur vierten Imperfection-Resonanz möglich ist. Danach ist er unvollständig und die Methode des adiabatischen Spinflips wird somit unbrauchbar für ELSA. Spintracking Studien![]() Bisher erreichte Polarisationsgrade![]() Bis heute (2001) konnte durch die erfolgreiche Anwendung obiger Korrekturmaßnahmen der Polarisationsgrad in ELSA bis zu Energien von 2,5 GeV fast vollständig, bis 3,2 GeV wenigstens etwa zur Hälfte erhalten werden. Dies ist ausreichend für die Experimente, die in diesem Jahr stattfinden sollen. Die Optimierung der Korrekturen ist recht zeitaufwendig, da nur das Möller-Polarimeter zur Verfügung steht und wurde deshalb bei den hohen Energien noch nicht vollständig durchgeführt. Es ist deshalb zu erwarten, daß sich die Polarisation bei hohen Energien nocht verbessert werden kann. Weitere VerbesserungenFür die darüberhinausgehende Optimierung der Polarisation bei ELSA wird die Stabilisierung der Arbeitspunkte auf der Rampe nötig. Die Effekte durch Schleppfehler der Beschleunigermagnete haben sich bei den Vermessungen der depolarisierenden Resonanzen deutlich gezeigt. Auch gibt es Hinweise für eine Energieunsicherheit, die durch eine Energiekalibration an den depolarisierenden Resonanzen beseitigt werden kann.
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